Lokale Elektrizitäts­gemein­schaften – Artikel 17d StromVG (Mantelerlass)

16. April 2024von Tobias Minder0
Dieser Beitrag entspricht der Revision StromVG (Mantelerlass), die das Parlament am 29. September 2023 verabschiedet hat und gegen die das Referendum ergriffen wurde. Die Entwürfe der Verordnungen vom 21. Februar 2024 wurden noch nicht beachtet. Der Beitrag wird aktualisiert, falls die Stimmbevölkerung das Gesetz in der Volksabstimmung vom 9. Juni 2024 gutheisst.

Einleitung

Bei Inkrafttreten des Mantelerlasses regelt Art. 17d StromVG die Bildung von lokalen Elektrizitätsgemeinschaften. Diese Gemeinschaften ermöglichen es Endverbrauchern, Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energien und Speicherbetreibern, selbst erzeugte Elektrizität innerhalb der Gemeinschaft zu nutzen und zu teilen.

Der folgende Beitrag bietet eine Hilfestellung bei der Interpretation des Bundesgesetzes über die Stromversorgung (StromVG). Es handelt sich dabei um eine unverbindliche Information und ist in keiner Weise als Rechtsauskunft zu verstehen. Jegliche Haftung wird abgelehnt. Rückmeldungen, Ergänzungen oder Korrekturvorschläge können gerne über die Kommentarfunktion eingebracht werden.

Gesetzestext im Mantelerlass und Interpretation

Anmerkung: Diese Version entspricht der Revision StromVG (Mantelerlass), die das Parlament am 29. September 2023 verabschiedet hat und gegen die das Referendum ergriffen wurde.

Art. 17d Bildung von lokalen Elektrizitätsgemeinschaften

Die konkrete Umsetzung der lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) wird in den Verordnungen geregelt. Der Bundesrat hat hier viel Gestaltungsspielraum. Dies ist vom Parlament auch so gewollt (08.06.23 im Ständerat):

Müller Damian (RL, LU): [..] Wir geben dem Bundesrat in Sachen lokale Elektrizitätsgemeinschaften sehr viele Freiheiten, denn in der Schweiz gibt es eben dieses Instrument noch nicht, und es ist jetzt wichtig, diese Erfahrungen zu machen. Ich glaube, das hier ist ein wichtiger Schritt.

1 Endverbraucher, Erzeuger von Elektrizität aus erneuerbaren Energien und Speicherbetreiber können sich zu einer lokalen Elektrizitätsgemeinschaft zusammenschliessen und die selbst erzeugte Elektrizität innerhalb dieser Gemeinschaft absetzen.

Endverbraucher, Erzeuger von Elektrizität aus erneuerbaren Energien und Speicherbetreiber können sich zu einer LEG zusammenschliessen. Im Umkehrschluss können fossil und teilweise fossil befeuerten Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) als Produzenten nicht teilnehmen. Davon ausgeschlossen wären möglicherweise Endverbraucher mit WKK im Eigenverbrauch. Speicherbetreiber gelten nach dem im Jahr 2023 verabschiedeten StromVG ebenfalls als Endverbraucher. Demnach dürften Endverbraucher und Speicherbetreiber in Bezug auf die LEG gleich behandelt werden; mit der Ausnahme, dass Speicher ohne Endverbrauch kein Netznutzungsentgelt schulden (Art. 14a StromVG, 2023).

Im Gegensatz zu einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) gilt die LEG nicht ein einzelner Endverbraucher. Stattdessen bleiben die einzelnen Endverbraucher bestehen. 

Die LEG können die selbst erzeugte Elektrizität innerhalb dieser Gemeinschaft absetzen. Rückgespiesene Überschüsse muss der VNB über die Abnahme und Vergütung abnehmen. Dies gilt immer, also auch, wenn die Elektrizität zwischendurch gespeichert oder verkauft wurde (Art. 15 Abs. 1 EnG, 2023). Die Vergütung für Überschüsse aus Elektrizität aus erneuerbaren Energien sind reguliert (Art. 15 Abs. 1bis EnG, 2023). Offen bleibt, wie die Vergütung für Rückspeisung aus Speichern ausfallen muss (die Energie wurde “verbraucht” und ist also nicht mehr erneuerbar).

2 Vorausgesetzt ist, dass die Teilnehmer:

a. im gleichen Netzgebiet, auf der gleichen Netzebene und örtlich nahe beieinander am Elektrizitätsnetz angeschlossen sind;

b. alle mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet sind; und

c. gemeinsam eine vom Bundesrat festgelegte Mindestgrösse an Elektrizitätserzeugung im Verhältnis zur Anschlussleistung aufweisen.

Absatz 2 regelt die Voraussetzungen für den Zusammenschluss zum LEG.

Die Teilnehmer einer LEG müssen im gleichen Netzgebiet sein, also vom gleichen VNB versorgt werden. Zudem müssen sie auf der gleichen Netzebene angeordnet sein. In der Praxis wird dies vermutlich in erster Linie die Netzebene 7 (400 V) sein. Weitere Einschränkungen zur Netztopologie gibt es nicht. Die LEG muss sich demnach wohl nicht auf einen Trafokreis beschränken; die Elektrizität dürfte somit über andere Netzebenen (Trafostation, Mittelspannungsnetz) geleitet werden. Die Voraussetzung der örtlichen Nähe wird in der Verordnung geregelt (vgl. Absatz 3).

Eine weitere Bedingung für den Zusammenschluss zur LEG ist, dass alle Teilnehmer mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet sind. Der VNB muss bei den interessierten Teilnehmern (innert nützlicher Frist) intelligente Messsysteme installieren (vgl. Abs. 4).

Der Bundesrat wird in der Verordnung eine Mindestgrösse an Elektrizitätserzeugung im Verhältnis zur Anschlussleistung festlegen. Denkbar wäre hier, dass der Bundesrat die selben Voraussetzung definiert, wie für den ZEV. Beim ZEV muss die Produktionsleistung der Anlage oder der Anlagen bei mindestens 10 Prozent der Anschlussleistung des Zusammenschlusses entsprechen (Art. 15 Abs. 1 EnV).

3 Der Bundesrat legt die zulässige geografische Ausdehnung einer lokalen Elektrizitätsgemeinschaft und damit die erforderliche örtliche Nähe der Teilnehmer fest. Die Ausdehnung kann maximal das Gebiet einer Gemeinde umfassen.

Der Bundesrat wird in der Verordnung festlegen, wie weit sich eine LEG örtlich ausdehnen darf. Das Gesetz beschränkt die maximale Ausbreitung auf das Gebiet einer Gemeinde. Eine LEG über die Gemeindegrenzen ist damit nicht erlaubt, selbst wenn die Teilnehmer innerhalb des gleichen Trafokreises angeschlossen wären.

Der Bundesrat war der Meinung, dass diese Beschränkung Sinn macht. Eine Erweiterung des Perimeters wird zudem als Möglichkeit für die Zukunft gesehen (Nationalrat Herbstsession 2023, 11.09.23):

Rösti Albert, Bundesrat: […] In Anbetracht der sehr unterschiedlichen Grössen von Gemeinden erachten wir aber die Gemeindegrösse als den richtigen Begriff für die maximale Ausdehnung. Im Sinne einer möglichen Entwicklung prüfen wir das jetzt mal auf relativ bescheidenem Niveau. Bei kleinen Gemeinden macht der Gemeindeperimeter Sinn; klar ist, dass bei grossen Gemeinden, insbesondere in städtischen Gebieten, natürlich nicht plötzlich eine ganze Stadt eine LEG sein soll, das kann ich Ihnen hier versichern. […]

Die UREK-N war in ihrer Einschätzung etwas konservativer und erachtet eine Ausdehnung auf einen Niederspannungstransformator als sinnvoll – dies entspräche grundsätzlich einem engere Perimeter (Frühjahrssession 2023, 15.03.23):

Jauslin Matthias Samuel (RL, AG), für die Kommission: […] Hierzu ist die Kommission klar der Meinung, dass die LEG auf Quartiertransformatoren beschränkt werden sollten. Hier geht es also darum, dass das noch auf Verordnungsstufe klar geregelt werden muss […]

Es gab aber auch Stimmen, die einen noch grössere Perimeter bevorzugt hätten. Welcher Perimeter für die maximale Ausdehnung die Verordnung schlussendlich festlegen wird, ist zu diesem Zeitpunkt reine Spekulation. Der Perimeter könnte beispielsweise auf eine Postleitzahl oder eine Distanz entlang der Luftlinie beschränkt werden.

4 Der Verteilnetzbetreiber stattet jeden Teilnehmer einer lokalen Elektrizitätsgemeinschaft mit einem intelligenten Messsystem aus.

Gemäss Abs. 2 lit. b müssen die Teilnehmer der LEG bei der Gründung bereits intelligente Messsysteme installiert haben. Entsprechend wird dieser Absatz hier so interpretiert, dass Verteilnetzbetreiber die Endverbraucher, Erzeuger von Elektrizität aus erneuerbaren Energien und Speicherbetreiber, die an einer Teilnahme eines LEG Interessierten sind, mit einem intelligenten Messsystem ausrüsten. Dies gilt auch, wenn die Frist für den Smart Meter Rollout nach Art. 31e Abs. 1 StromVV noch nicht erreicht ist. Sie sind somit analog zu neuen Endverbrauchern mit Netzzugang und neuen Erzeugungsanlagen zu behandeln (vgl. Art. 31e Abs. 2 StromVV).

5 Die Teilnehmer der lokalen Elektrizitätsgemeinschaft regeln das Verhältnis untereinander, insbesondere die Versorgung aus selbst erzeugter Elektrizität. Sie ernennen eine Person, die die Gemeinschaft gegenüber dem Verteilnetzbetreiber vertritt.

In Bezug auf die LEG muss dem VNB eine Kontaktperson zur Verfügung stehen. Dies dürfte die Kommunikation zwischen dem VNB und der LEG vereinfachen. Die einzelnen Teilnehmer der LEG haben jedoch (anders als beim ZEV) immer noch ein Vertragsverhältnis zum VNB, weil jeder einzeln ans Verteilnetz angeschlossen ist.

6 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, insbesondere zum Verhältnis der Teilnehmer untereinander und zur Aufteilung von Verwaltungs- und Vertriebskosten zwischen dem Verteilnetzbetreiber, der lokalen Elektrizitätsgemeinschaft und ihren Teilnehmern.

Es gilt die Verordnung abzuwarten.

Weiter zu Art. 17e Versorgung der Gemeinschaft, Beanspruchung des Netzes und Entgelte.

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